„Klimakrise ist Glaubensfrage“ – Anna Böck über Kirche, Verantwortung und Hoffnung
In der aktuellen Folge von Stachel & Herz sprechen Sarah Vecera und Thea Hummel mit Anna Böck über eines der drängendsten Themen unserer Zeit: die Klimakatastrophe – und die Rolle der Kirche darin.
Was kann der christliche Glaube in einer Welt bedeuten, die brennt, vertrocknet und kippt? Und was heißt es, Hoffnung zu predigen, wenn die Realität von Zerstörung erzählt?
„Klimakrise ist kein Randthema – sie betrifft alles“
Anna Böck, Theologin und Klimaaktivistin, macht gleich zu Beginn klar: Die Klimakrise ist nicht nur ein ökologisches, sondern ein zutiefst spirituelles Problem. „Es geht um unser Verhältnis zur Schöpfung – und damit um unsere Beziehung zu Gott.“
Sie kritisiert, dass Kirche das Thema lange als gesellschaftspolitische Debatte behandelt hat, nicht als Glaubensfrage. Dabei gehe es im Kern um Gerechtigkeit, Verantwortung und Solidarität – zentrale biblische Themen.
„Wenn wir vom Reich Gottes sprechen, dann reden wir auch über eine gerechte Welt für alle Lebewesen – nicht nur über das Jenseits“, sagt Anna.
Glaube zwischen Ohnmacht und Handeln
Das Gespräch dreht sich um die Frage, wie Menschen glauben können, ohne in Resignation zu verfallen.
Viele erleben eine tiefe Ohnmacht angesichts von Klimawandel, politischer Trägheit und globaler Ungleichheit. Anna Böck beschreibt diese Erfahrung als spirituelle Krise – aber auch als Ausgangspunkt für Veränderung.
„Klimaschutz darf nicht nur moralischer Appell bleiben. Er muss Teil unseres Glaubenslebens werden“, betont sie. Spiritualität bedeute für sie, Verbundenheit mit allem Lebendigen zu spüren – und daraus Verantwortung abzuleiten.
Kirche zwischen Schuld und Möglichkeit
Die Kirche, so Böck, steht in einem Dilemma: Einerseits ist sie Teil der Strukturen, die Ausbeutung und Ungerechtigkeit mitgetragen haben. Andererseits kann sie Räume eröffnen, in denen Menschen lernen, anders zu leben – achtsamer, solidarischer, spirituell verbundener.
„Kirche muss politisch werden, weil das Evangelium politisch ist“, sagt sie. Sie fordert, dass Gemeinden sich stärker mit der ökologischen Krise auseinandersetzen, Ressourcen umverteilen und theologisch neu über Schöpfungsverantwortung sprechen.
Gottesdienst, so Anna, könne ein Ort sein, an dem Hoffnung praktisch wird – nicht als Vertröstung, sondern als Ermutigung zum Handeln.
„Hoffnung ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung“
Trotz aller Dringlichkeit bleibt Anna Böck nicht beim Alarmismus stehen. Hoffnung, sagt sie, sei kein naives Vertrauen, dass „schon alles gut wird“. Es sei eine aktive, widerständige Haltung.
Sie sieht Glauben als Kraft, die Menschen befähigt, weiterzumachen – auch dann, wenn die Fakten düster sind. „Ich glaube an eine Zukunft, weil ich an Gott glaube – nicht, weil ich sicher bin, dass wir sie schaffen.“
Fazit: Kirche als Ort des Aufbruchs
Diese Folge zeigt, dass Klimaglaube mehr ist als Umweltethik. Es ist ein theologischer und spiritueller Auftrag.
Anna Böck fordert die Kirche heraus, sich nicht länger mit Symbolpolitik zufriedenzugeben. Sie soll unbequem bleiben, sich selbst verändern – und den Mut haben, Zukunft zu glauben, wo sie bedroht ist.
Oder, wie sie es formuliert:
„Glauben heißt, sich einzumischen – gerade dann, wenn alles verloren scheint.“
