White Saviorism Teil 3

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Stereotype als Gelddruckmaschine im Fundraising

„Der Nächste“ liegt uns als Christ*innen am Herzen. Eigentlich ist es die DNA eines Christenmenschen, zu helfen und auch zu missionieren. Die Kraft, das Licht, das wir in unserem Glauben erleben, sollen auch andere Menschen spüren können.

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns sehr kritisch mit dem Thema „White Saviorism / Weißes Retter*in sein“ auseinandersetzen. Wenn wir eine antirassistische Kirche sein wollen, dann müssen wir uns genau damit beschäftigen, welche Stereotype wir selber wiederholen und produzieren. Aber nicht nur als Christ*innen, sondern auch als spendensammelnde Organisation müssen wir das tun! Dieser Verantwortung müssen wir auch als VEM gerecht werden.

Im zweiten Teil ging es um die Verantwortung der Kirchen in Sachen Fundraising.

Um das Thema noch etwas weiter zu machen, hier ein praktisches Beispiel aus der Literatur.

Der ehemalige Katastrophenhelfer Richard Munz, beschreibt in seinem Buch „Im Zentrum Katastrophe“ im Kapitel „Jede Hand wird gebraucht“ – den Mythos von unserer Unentbehrlichkeit:

„Was wird hier am dringendsten gebraucht?“ sei einer der Standardfragen, die Journalisten an die Helfer*innen in den ersten Tagen nach einer Katastrophen stellen.

Er beschreibt dann sehr eindrücklich, dass beispielsweise nach Erdbeben am ehesten Latrinen, also Toiletten benötigt werden, um Seuchen vorzubeugen. Damit könne man aber kaum Spender*innen überzeugen. Deshalb führe die ganze Kommunikation mit Journalisten und Menschen die es gut meinen, zu einem verzerrten Bild: „Was man für den Bau von lebenswichtigen sanitären Einrichtungen nach einer Katastrophe am allerwenigsten benötigt, sind unvorbereitete Helfer, die in unkontrollierbaren Massen in das Katastrophengebiet einfallen. Diese sind im Gegensatz zu Material, Werkzeugen, Medikamenten, Verpflegung und anderen Dingen, an denen tatsächlich Mangel herrscht, reichlich vor Ort in Gestalt der unverletzten Überlebenden vorhanden. Andererseits kommen die Helfermassen aus dem Ausland eben nicht, um Latrinen zu bauen.“ … Das sei kein Motiv für die Medien.

  • Buchtipp: Richard Munz, Im Zentrum der Katastrophe, Campus-Verlag 2007, ISBN 978-3593381237

Aus vielen Gesprächen mit Fundraiser*innen in Deutschland weiß ich, dass das Thema aus diesem beschrieben Beispiel in vielen Organisationen diskutiert wird, aber die Frage nach hohen Spendenerträgen einer ethischen Auseinandersetzung entgegensteht.

  • Lesetipp: Im Artikel „Die Bettel Industrie“ von Anja Kempe, der im Deutschlandfunk am 23.02.2013 veröffentlicht, kann man davon lesen, wie ethische Fragen gegen den Nutzen der Spenden für eine Organisation gegenübergestellt werden. Auch wenn der schon ein paar Jahre alt ist, ist er immer noch sehr aktuell.

Link:    https://www.deutschlandfunk.de/die-bettel-industrie.724.de.html?dram:article_id=236874

Es gibt eine Reihe von großen Organisationen, die versucht haben, auf die Reproduktion von Stereotypen zu verzichten. Sie haben versucht, entweder gar keine Bilder mehr zu nutzen oder nur noch solche, die Menschen in Würde zeigen. Soweit mir aus Gesprächen bekannt ist, haben sich alle am Ende dafür entschieden, wieder mehr oder weniger zum alten Stil zurückzukehren. Der Spendenertrag stimmte einfach nicht mehr und damit war die Finanzierung des Auftrags in Gefahr. Werden die Wünsche nach Drama und Stereotype nicht ausreichend bedient, fließt einfach kein Geld.

Meiner Beobachtung nach ist der Ertrag dieser Diskussionen nur noch, dass seriöse Organisationen beispielsweise keine hungernden Kinder mit Fliegen im Gesicht zeigen und generell auf „zu krasse“ Bilder verzichten. Zynisch könnte man sagen: Niedlich kommt vor eklig.

Mit dazu beigetragen haben sicherlich Organisationen wie das DZI-Spendensiegel und VENRO, die Leitfäden für eine ethische Spendenwerbung entworfen haben. Dass oft aber auch hier nur die Mindeststandards bedient werden, zeigt sich, wenn man die Mitgliederliste mit den jeweiligen Spendenkampagnen abgleicht. 

  • Weitere Informationen, findet man auf den Webseiten vom DZI und Venro:

https://venro.org/start

In der Gemeinschaft der VEM stehen wir genau vor der gleichen Frage: Wieviel Stereotype zeigen wir? Wo sind unsere Grenzen?

Unser Kodex schreibt vor, dass wir nur Menschen in Würde abbilden. Erkennbare Einzelpersonen zeigen wir nur noch, wenn sie selbst der Verwendung zugestimmt haben. Wir zeigen keine weißen (oder westlichen) Retter*innen.

Aber das ist kein Eigenlob, denn unser Haushalt ist nur zu einem Drittel von Spenden abhängig. Das gibt uns Freiheit, zu experimentieren und vielleicht Teil der Veränderung zu sein. Es geht aber nur, weil wir über zwei Drittel andere Einnahmenquellen verfügen und deshalb die Stereotypen nicht bedienen müssen. 

Die Versuchung ist da… nur dieses eine Mal eine richtig krasse Kampagne zu fahren, um den Haushalt aufzubessern…  die Mehreinnahmen würden wir ja dann in die Projekte und Bildungsangebote stecken, die so wichtig sind… der Zweck heiligt doch die Mittel …..

Wenn wir als VEM aber anti-rassistisch sein wollen, dann dürfen wir dieser Versuchung nicht nachgeben. Rendite darf nicht vor der Ethik kommen. Das ist eine Herausforderung, vor allem auch für mich, der die Finanzen der VEM verantworten muss.

Fortsetzung folgt: Der konkrete Wunsch zu helfen: Als Freiwillige*r

von Timo Pauler