von Ulrike La Gro
Die größte Krippe der Stadt ist in der Deutschordenskirche in Frankfurt-Sachsenhausen aufgebaut. Hunderte von Krippenfiguren, Dekoration und Beleuchtung wurden von Engagierten der Gemeinde mehrstöckig aufgebaut und erzählen ihre eigenen Versionen der biblischen Weihnachtsgeschichte. Wer sich dem blonden Kind in der Krippe zuwendet, steht direkt vor einer Spendendose im Missionsstil, auch heute noch oft „Nick-N****“ genannt. Wer eine Münze einwirft, dem nickt die Figur eines Schwarzen, barfüßigen Kindes brav zu. Wer sich das Bild dazu anschauen möchte, findet die gleiche Spendendose hier abgebildet. Besonders bei Kindern sei die Spardose sehr beliebt und werde daher auch „Groschen-Grab“ genannt, berichtet ein Ehrenamtlicher aus der Gemeinde. Die Älteren erinnerte sie an ihre eigene Kindheit, die Kommentare der Kirchen-Besucher*innen seien oft nostalgisch-positiv. Was lernen Menschen über die ihnen jeweils vorgesehenen Plätze in der Welt und in der Kirche, wenn sie diese Krippe anschauen?
Die Spendendosen im Missionsstil finden sich an vielen Orten, es gab und gibt sie in evangelischen und katholischen Kirchen, obwohl beispielsweise katholische Bistümer schon in den 1960er-Jahren per Rundschreiben darum baten, diese nicht mehr zu verwenden.
Warum also werden die Spendendosen weiter aufgestellt? Dass es ein Problembewusstsein gibt, zeigen die zahlreichen Legitimationsstrategien, die auch der Ehrenamtliche in der Deutschordenskirche in Frankfurt auf meine Nachfrage, warum diese Figur dort stehe, sofort parat hatte. Weiße Kirchenmitglieder, die den Eindruck haben, „ihre“ Spardose „verteidigen“ zu müssen, haben bereits verstanden, dass eine Ära an ihr Ende gekommen ist: Die Zeit nämlich, in der es, zwar mit einiger Anstrengung und Kosten verbunden, für weiße Menschen möglich war, die kirchlichen Verstrickungen in die deutsche und europäische Kolonialgeschichte komplett zu verdrängen.
Diese Zeit ist vorbei. Sie ist vorbei, weil Menschen aus den ehemaligen europäischen Missionsgebieten im globalen Süden eingefordert haben, dass Partnerschaftsarbeit neu organisiert werden muss. Sie ist vorbei, weil Organisationen wie die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) seit Jahrzehnten Rassismus benennen und eine Aufarbeitung der Kolonialgeschichte fordern. Sie ist vorbei, weil die Urenkel der Überlebenden der Genozide in den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten für Reparationen kämpfen. Und zwar so laut, dass es nicht zu überhören ist.
Die Zeit der Missionsspardosen ist auch vorbei, weil sich einige Missionswerke und kirchliche Hilfswerke auf die Diskussionen eingelassen haben, ihre Spendenkampagnen und Strukturen überdacht und verändert haben.
Wer meint, man müsse kolonialromantische und rassistische Träume weißer Menschen bedienen, um möglichst viel Geld für „die gute Sache“ zu sammeln, läuft in eine Sackgasse. Auf dem Weg zu einer gerechteren Welt gibt es zunächst einmal viel zu reparieren. Reparation von individuellen und strukturellen Beziehungen beginnt mit Vertrauensaufbau und Respekt. Es gibt also keinen einzigen Grund, warum vor einer Krippe eine Spendendose stehen soll, die rassistische Stereotypen reproduziert.