Beziehungsstatus Religion und Migration: Meine weiße evangelische Kirche ist ein Integrationshindernis

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Eröffnungsstatement zum Kirchentagspodium am 3.5.2025

Von Claudia Währisch-Oblau

Meine Kirche, die weiße evangelische Kirche in Deutschland, tut viel für Geflüchtete, aber sie ist ein Hindernis für die Integration von eingewanderten Menschen. Sie ist eine ethnische weiße Kirche, die von der Gesellschaft Inklusion fordert, selbst aber selbst Exklusion betreibt.

Es gibt keine wirklich guten Zahlen, aber ca. 55% aller nach Deutschland eingewanderten Menschen zählen sich als Christ*innen, und immerhin noch 17% derer, die 2021 als Geflüchtete ins Land kamen.

Meine Kirche aber sieht diese Immigrant*innen in erster Linie als Klient*innen ihrer Diakonie und als Menschen, für die sie sprechen muss, statt eingewanderte Christ*innen als Geschwister zu begrüßen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und sie zu fragen, was sie uns mitbringen. Stattdessen erleben eingewanderte Christ*innen, die in einem landeskirchlichen Gottesdienst landen, freundliches Desinteresse, die Empfehlung, sich doch eine Gemeinden „von ihresgleichen zu suchen – da fühlen Sie sich doch viel wohler“, oder gar offenen Rassismus und Ablehnung.

Das hat dazu geführt, dass in deutschen Großstädten sonntags längst viel mehr Menschen den Gottesdienst einer sogenannten Migrationskirche besuchen als weiße evangelische Christ*innen einen landeskirchlichen Gottesdienst. Während landeskirchliche Kirchengebäude geschlossen und verkauft werden, wandeln eingewanderte Christ*innen Ladenlokale und Industriehallen in Gottesdiensträume um und feiern dort Gottesdienst auf Englisch oder Französisch, in Lingala oder Bahasa Indonesia. Sie kommen an in der Gesellschaft und möchten einen Beitrag leisten – aber meine Kirche interessiert das nicht. Nirgendwo ist Deutschland so getrennt in Einheimische und Zugewanderte wie im Gottesdienst am Sonntag!

Dabei wäre das doch eine wunderbare Gegenerzählung zu den Nachrichten vom ewigen Mitgliederschwund, Sparzwang und Abbau!

Aber: Die sind ja nicht wie wir. Die glauben anders, feiern anders Gottesdienst, und vor allem: Sie sprechen kein Deutsch (oder nur schlechtes).

Das ist Ethnozentrismus: Die Fiktion, dass die Sprache in Deutschland ausschließlich Deutsch sei. Dabei sind inzwischen über 40% aller Kinder in Deutschland mindestens zweisprachig, und gut ein Viertel der Erwachsenen ebenfalls. Aber es scheint undenkbar, dass ein landeskirchlicher evangelischer Gottesdienst in mehr als einer Sprache oder in einer anderen Sprache als Deutsch stattfindet. Und wer (noch) nicht gut Deutsch kann, dem wird bedeutet, dass er bei uns keinen Platz hat.

Am Thema Rassismus arbeitet meine Kirche inzwischen; das sieht man auch an Sarah Vecera und Narku Laing, die auf diesem Podium sitzen. Aber warum sitze ich hier und spreche für Menschen mit Migrationshintergrund, deren Deutsch nicht mindestens auf C1-Niveau ist? Weil meine Kirche denkt, dass diese Menschen ihr nichts zu sagen haben, wenn sie das nicht in fließendem Deutsch können. Das ist Klassismus in Reinkultur.

Meine Kirche steht auf dem Boden der Barmer Theologischen Erklärung, in der es heißt, dass die Kirche das Evangelium „allem Volk“ schuldet. In meiner Kirche wird das offenbar so verstanden, dass nur das (ethnisch) deutsche Volk gemeint ist.

Eine Kirche für ALLE, auch die Eingewanderten? Da muss sich noch Grundsätzliches ändern!