White Saviorism Teil 2

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Teil 2: Fundraising im kirchlichen Umfeld

Die Plakate zur Spendenwerbung und die dazugehörigen Kampagnen werden in Fundraisingteams entwickelt und von Hilfsorganisationen veröffentlicht. Fundraising ist so eine Art Vertriebsmarketing, also die Aktivität eines Unternehmens, um den Absatz seiner Produkte und Dienstleistungen durch eine gute Betreuung der Kund*innen zu gewährleisten. Kund*innen sind hier aber nicht die Menschen denen „geholfen“ wird, sondern die Spender*innen, die mit der Spende etwas Gutes tun und vermutlich nicht selten auch ein gutes Gewissen erkaufen wollen.

In Sachen Fundraising haben wir eine lange Tradition in der Kirche. Die beginnt mit der Abgabe des zehnten Teils des Einkommens im Alten Testament. Dazu gehört auch der Ablasshandel des Mittelalters. Aber auch in der Gegenwart, sonntags wenn die Kollekten eingesammelt werden, wird im Gottesdienst die Verwendung normalerweise kurz genannt. Der Text, der dann vorgelesen wird, entstammt den Federn von Fundraiser*innen. Die Kunst bei den Kollektentexten ist, in wenigen Sätzen zu einer großzügigen Spende zu animieren. Dabei muss der Sinn des Projektes erklärt und gleichzeitig eine Emotion erzeugt werden.

An diesem Beispiel kann man sehr gut erkennen, wie groß die Verantwortung von Spendenorganisationen ist. Denn natürlich wollen sie möglichst viel Geld für ihre Projekte einnehmen und dafür braucht es nun mal Emotionen. Die Gefahr hier Stereotype zu wiederholen und tief in unser Bewusstsein eingebrannte Stereotype am Leben zu erhalten, ist groß.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung:

„Mit Ihrer Spende helfen Sie armen Kindern in Afrika“ erzeugt sofort ein Bild im Kopf und eine Emotion! Ganz anders dagegen: „Mit Ihrer Spende können wir einen Computerraum in einem Berufskolleg in Ruanda mit Microsoft Office 365 ausstatten.“ Hier würde man sich vermutlich erst einmal fragen, wieso denn die armen Kinder in Afrika überhaupt einen Computer bräuchten.

Ich denke es ist klar, womit man mehr Spenden erhält.

Also, als Kirche stehen wir bei der Frage nach „White Saviorism“ mitten drin und haben eine große Mitverantwortung, wenn es darum geht, das weiße Helfer*innensyndrom nicht weiter zu fördern. Oder anders: Wir müssen uns als Kirche eingestehen, dass wir in dem Moment im Gottesdienst, wenn wir eigentlich etwas Gutes tun wollen, also bei der Kollekte, Gefahr laufen, die Stereotype zu wiederholen und zu verfestigen.

Einladung: Hör mal genau hin, wenn in Deiner Gemeinde Geld gesammelt wird. Werden dort die beschriebenen Stereotype wiederholt? Gibt es Plakate mit Spendenaufrufen?

von Timo Pauler