Claudia liest: Tsitsi Dangarembga

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Es ist ungemein erhellend, mal die Perspektive zu wechseln. Darum empfehle ich hier in unregelmäßiger Reihenfolge, komplett subjektiv, Romane von Autor*innen of Color, die ich spannend finde.

Tsitsi Dangarembga bekommt den Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2021. Das ging Mitte Juni durch die Presse.

Ich vermute mal: Die meisten, die die Pressemeldungen lasen, haben da den Namen Tsitsi Dangarembga zum ersten Mal gehört. Dabei hat die zimbabwische Autorin, Filmemacherin und Aktivistin ab 1989 an der der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin Regie studiert und anschließend an der Humboldt-Universität im Fach Afrikawissenschaften promoviert. Seit 2000 lebt sie mit ihrer Familie wieder in Harare/Zimbabwe und ist dort als Filmemacherin, Theaterautorin und politische Aktivistin sehr prominent.

Ich habe Tsitsi Dangarembga im letzten Winter entdeckt. Da stand ihr Roman This Mournable Body auf einer BBC-Liste der besten Bücher des Jahres. Im Herbst kommt er unter dem Titel Überleben auch in Deutschland auf den Markt.

Dieses Buch ist der dritte Band einer Trilogie: Der Preis der Freiheit (Nervous Conditions) erschien bereits 1988, der zweite, The Book of Not, 2006. Und erst 2018 fand Dangarembga einen Verlag für den dritten Band.

In allen drei Bänden geht es um Tambudzai, genannt Tambu, und ihre Geschichte. Ich habe bisher nur den dritten Band gelesen.

Überleben ist ein schwieriges Buch, das viel von der Leserin verlangt. Erzählt wird aus Tambus Perspektive, aber in der direkten Anrede ‚du‘. Das hat zur Folge, dass man geradezu in Tambus Leben und Ansichten hineingesogen wird. Und da sie im ersten Teil des Romans ziel- und perspektivlos durch ihr Leben driftet, bis sie schließlich in der Psychiatrie landet, ist das oft sehr deprimierend.

Doch nach ihrer Entlassung wird Tambu von ihrer Kusine Nyasha aufgenommen, die gerade mit ihrem deutschen Mann Leon und ihren zwei Kindern nach Harare zurückgekehrt ist. Nyasha und Leon sind klassische Gutmenschen und Entwicklungshelfer – und Tambu beobachtet aus zynischer Distanz die Sinnlosigkeit ihrer Arbeit. Das ist letztlich nicht weniger deprimierend, aber so bissig beschrieben, dass es sich zumindest für mich einfacher las.

Im dritten Teil des Romans arbeitet Tambu dann für Green Jacaranda Getaway Safaris, einen exklusiven Ökotourismus-Anbieter. Endlich kann sie in einem schönen Haus leben und hat sogar einen eigenen Swimming Pool. Hier wird der Roman nun endgültig zur bitterbösen Satire. Zunächst entwickelt die Firma für die weißen Tourist*innen „Ghetto Getaways“, als das nicht länger funktioniert, wird „Village Eco Transit“ erfunden, eine Ökoaufenthalt in einem ‚echt traditionellen‘ Dorf. Dass das schiefgehen muss, ist natürlich von Anfang an klar.

Was das Buch aber so lesenswert macht, ist Dangarembgas Auseinandersetzung mit Rassismus, Kolonialismus, und mit der Frage, was eigentlich nach der Befreiung von den Kolonialmächten kommt. Ihre Analysen sind scharf und zeigen, dass sich außer ein paar Etiketten eigentlich nichts verändert hat.

Der Roman, der zunächst auch keinen Verleger fand, stand im letzten Jahr auf der Shortlist des renommierten Booker Prize.

Überleben (This Mournable Body) erscheint im September 2021 im Orlanda Verlag.

ISBN 978-3-944666-87-7
ca. 350 Seiten, Klappenbroschur
24 Euro

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Unter dem Titel „Aufbrechen“ hat der Orlanda-Verlag Tsitsi Dangarembgas erstes Buch (Nervous Conditions) in diesem Jahr neu aufgelegt.

ISBN 978-3-944666-60-0
280 Seiten, Klappenbroschur
€ 22,00

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