Rassismus im Alltag von Freiwilligen in Deutschland

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Pita Hermann Katchao kommt aus Togo und macht zurzeit seinen Freiwilligendienst im Büro der Norddeutschen Mission. Unter https://norddeutschemission.blog/freiwillige/ gibt es spannende Blogbeiträge, in der verschiedene Freiwillige über ihre Erfahrungen berichten. Pita Hermann Katchao hat leider nicht nur schöne Erfahrungen bisher in Deutschland gesammelt, auch Rassismus prägt sein Leben hier. Er schreibt darüber auf dem Blog. Wir finden es mutig und wichtig, dass er so Rassismus benennt und sichtbar macht und freuen uns, dass wir einen Beitrag hier mit euch teilen dürfen:

Rassismus

Die Frage von Rassismus bleibt ein zentrales Thema. Ich hab während meines Aufenthaltes einige rassistische Handlungen erlebt, besonders beim Reisen mit der Bahn. Die Tatsache, mehrmals allein im Zug kontrolliert zu werden, obwohl noch andere weiße Fahrgäste an Bord sind. Allein das Wort „Schwarzfahren“ vermittelt Rassismus und ich denke, dass Schwarze Personen deshalb mehrmals kontrolliert werden. Um sicher zu gehen, dass ich in den richtigen Zug stieg, fragte ich einen VBN-Mitarbeiter, ob der Zug, der gerade abfuhr, zu meinem Ziel fuhr. Seine Antwort war nicht das, was ich erwartet hatte. Er antwortete mir, dass der Zug nur zu meinem Ziel fahren würde, wenn ich das Ticket gekauft hätte – als ob ich ohne Fahrkarte unterwegs wäre. Ich bin mir nicht sicher, ob er einer Weißen Person die gleiche Antwort gegeben hätte wie mir. Ein weiterer Aspekt ist, dass man neben einer Person Platz nimmt und diese Person sofort den Platz wechselt. Ich denke, das ist Rassismus, bei dem sich einige Leute für wichtiger halten als andere. Trotzdem bin ich manchmal sehr gerührt von Fremden, die sich bemühen, mich anzusprechen oder wohlwollend auf mein Anliegen zu reagieren. Ich habe bis dahin noch sehr freundliche und offene Menschen kennengelernt. Ich würde sagen, dass die Bremer nicht so rassistisch sind. Ich musste nur einen Tag in Dortmund verbringen, um zu erkennen, dass Bremen außergewöhnlich ist. Ich war in Dortmund mit einem Freiwilligen aus Ghana unterwegs und wir hatten es mit zwei Rassisten zu tun. Wäre die Anwesenheit unseres weißen Freundes nicht gewesen, hätte etwas anderes passieren können. Wir mussten mit dem Zug fahren, um an einer Haltestelle auszusteigen, zu der unser Freund kommen und uns abholen sollte. Zufällig saßen wir im selben Zug, ohne es zu wissen. Es waren auch zwei Nazis mit Tattoos im Zug, die sogar ein T-Shirt mit Nazi-Aufschriften trugen. Unser Freund hat diese Nazis im Zug bemerkt. Als wir aus dem Zug ausstiegen, stiegen auch sie aus. – Bis dahin wussten mein Freund aus Ghana und ich nicht einmal, dass wir in Gefahr waren. – Unser Freund gab uns ein Handzeichen, einen anderen Weg zu nehmen und ließ uns wissen, dass wir gejagt wurden und dass wir mögliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen sollten. Die Nazis waren dicht hinter uns, aber ich denke, dass die Anwesenheit unseres weißen Freundes sie daran hinderte, sich uns zu nähern. Wir mussten also unseren Weg ändern sogar an der Wohnung vorbeifahren zu der wir wollten, damit sie uns nicht wieder einholen konnten. Wir konnten ihnen entkommen: Gott sei Dank! Ich habe über solche Dinge gelesen oder erfahren aber dieses Mal habe ich es selbst erlebt und es macht keinen guten Eindruck.Außerdem fragte uns eine Dame, mit der wir zusammen mit meinem Freund den Zug nehmen mussten, ob wir Flüchtlinge seien. Ich sagte entschieden «Nein». Sie sagte, dass sie wisse, dass es in Afrika Armut gebe und so weiter. Wir kommen also nach Europa, weil wir glauben, dass Gold vom Himmel fällt? Das wollte sie uns wohl sagen. Sie plauderte über alles und nichts. Dann fragte sie, wie alt mein Freund und ich seien. Nach einer Weile drehte sie sich wieder zu uns um und sagte, dass ich ein bisschen hellhäutig sei, während mein Freund dunkelschwarz sei. Zu allem Überfluss öffnete sie ihr Portemonnaie und gab mir 1,50€ und sagte, dass sie wisse, dass es nicht viel sei, ich es aber sicher gut brauchen könne, und dass ich ihr jedes Mal beim Umsteigen helfen sollte, ihren Koffer zu tragen. Ich fand ihr Verhalten etwas unangebracht, aber ich dachte mir, dass sie nett zu uns sein wollte, es aber auf die falsche Weise tat. Ich fühlte mich jedoch hilfreich, denn obwohl sie uns unterschätzte, vertraute sie mir ihren Koffer an.Ich bin nicht der Erste und werde auch nicht der Letzte sein, den solche Dingen erlebt. Ich weiss, dass solange Menschen in einer Gesellschaft leben und sie unterschiedliche Auffassungen haben, es immer Missverständnisse geben wird. Wichtig ist es, wenigstens die Würde des Anderen zu bewahren, egal wie er ist oder wo er herkommt.

Pita Hermann Katchao, Norddeutsche Mission