Rassismus unterm Weihnachtsbaum – Traditionen hinterfragen, Vielfalt feiern

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Rassismus in Weihnachtsritualen 

Weihnachten ist für viele ein Fest der Freude und des Zusammenseins. Doch wie viel Raum bleibt für kritisches Nachdenken über die Traditionen, die wir jedes Jahr pflegen? In der neuesten Folge von „Stachel & Herz“ sprechen Thea Hummel und Sarah Vecera darüber, wie tief rassistische Strukturen in weihnachtlichen Bräuchen und Darstellungen verwurzelt sind. Die beiden werfen einen Blick auf problematische Weihnachtslieder, exotisierende Krippendarstellungen und Bräuche wie den niederländischen „Zwarte Piet“ oder das Getränk „Lumumba“. 

Zwarte Piet: Blackfacing als Tradition

Ein zentrales Thema der Folge ist der niederländische Brauch des „Zwarte Piet“. Als Begleiter von Sinterklaas wird diese Figur oft von weißen Menschen in Blackface dargestellt – eine Praxis, die bis heute verteidigt wird. Während viele diesen Brauch als harmlos betrachten, erinnert Thea daran, dass solche Darstellungen tief in kolonialen Denkmustern verwurzelt sind und rassistische Stereotype reproduzieren. „Es gibt jedes Jahr riesige Diskussionen in den Niederlanden, ob dieser Brauch abgeschafft werden sollte,“ berichtet sie. Doch der Widerstand gegen Veränderungen bleibt groß, auch von einigen PoC-Familienmitgliedern, die diese Tradition nicht als problematisch sehen. 

Stereotype in Weihnachtskrippen

Auch Weihnachtskrippen, die oft als Symbol der Vielfalt gelten, bleiben nicht von Kritik verschont. Die stereotypische Darstellung der „Weisen aus dem Morgenland“ als exotische Figuren unterstreicht, wie tief Vorurteile in der Darstellung anderer Kulturen verwurzelt sind. Die Hosts betonen: Während die heilige Familie fast immer weiß dargestellt wird, dienen die Figuren aus Afrika oder Asien oft dazu, eine oberflächliche Diversität zu suggerieren. Diese Darstellung spiegelt historische Hierarchien wider, die Menschen aus anderen Regionen entmündigen und exotisieren. 

Do They Know It’s Christmas? – Ein Lied voller Klischees

Ein weiteres Beispiel für unreflektierte Weihnachtsdarstellungen ist der Song „Do They Know It’s Christmas?“ von Band Aid. Der 1984 geschriebene Song sammelte Spenden für Äthiopien, basiert jedoch auf stereotypischen und entmenschlichenden Bildern über Afrika im Allgemeinen. Der Text impliziert, dass Afrikaner*innen Weihnachten nicht kennen und ignoriert die religiöse und kulturelle Vielfalt des Kontinents. „Das Lied verstärkt den White-Savior-Komplex,“ erklärt Sarah. Inzwischen distanzieren sich selbst frühere Mitwirkende von dem Song, und Menschen aus Äthiopien melden sich zu Wort, um ihre Perspektive auf diese einseitige Darstellung zu teilen. 

Alltägliche Diskriminierung – Auch am Weihnachtstisch

Rassismus macht jedoch nicht vor den Festtagen halt. Weihnachten ist oft ein Ort, an dem alte Familientraditionen und Hierarchien sichtbar werden – aber auch Vorurteile und unreflektierte Kommentare. Sarah und Thea betonen, dass der Familientisch ein Ort sein kann, an dem Vorurteile reproduziert, aber auch hinterfragt werden. „Die Erwartungen an ein harmonisches Weihnachtsfest sind oft so hoch, dass kritische Themen ausgeblendet werden,“ sagt Sarah. Doch gerade Weihnachten, ein Fest der Botschaft von Gerechtigkeit und Frieden, bietet Raum, um über Diskriminierung und Machtstrukturen zu sprechen. Ein liebevoller Grundton sollte aber gerade in diesen Zeiten die Grundlage solcher Gespräche sein – sonst könnten sie auch mehr Schaden anrichten, als das zu erreichen, was man eigentlich bezwecken will. Sollte das nicht möglich sein, ist ein Gespräch über das Rezept des Rotkohls vielleicht besser.

Kakao mit Schuss und koloniale Prägungen – Lumumba

Ein Beispiel für die Normalisierung kolonialer Denkmuster ist die Bezeichnung „Lumumba“ für Kakao mit Schuss. Der Name verweist auf Patrice Lumumba, den ersten Premierminister des unabhängigen Kongos, der 1960 durch einen Kopfschuss ermordet wurde. Statt Wertschätzung zeigt die Namensgebung, wie unkritisch koloniale Gewalt trivialisiert wird. „Das ist kein Zeichen des Respekts, sondern eine Entmenschlichung,“ betont Sarah. 

Fazit: Weihnachten neu denken

Die Podcastfolge regt dazu an, Weihnachten nicht nur als Fest der Liebe, sondern auch als Moment der Reflexion zu nutzen. Traditionen wie Krippen, Lieder oder Bräuche sollten nicht unkritisch reproduziert werden, sondern einen Raum für Veränderung bieten. Weihnachten erinnert uns daran, dass die Botschaft von Gerechtigkeit und Solidarität mehr erfordert als schöne Dekorationen, Geschenke und oberflächliche Harmonie. Es ist ein Aufruf, die Welt gerechter zu machen – auch unterm Weihnachtsbaum.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!