White Saviorism Teil 4

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Der konkrete Wunsch zu helfen: Als Freiwillige*r

Wie viele andere Organisationen entsenden auch wir junge Menschen aus Deutschland in die weite Welt. Unser Nord-Süd Austauschprogramm ist beispielsweise von Weltwärts, einer staatlichen Institution, gefördert.

Vorweg: Ich finde es gut, wenn junge Menschen in die Welt gehen wollen, um sie zu verändern! Davon braucht es ganz viele!

Im Herbst führen wir jährlich die Vorstellungsgespräche mit den jungen Bewerber*innen, die sich ein Jahr in der Welt engagieren wollen. Auf die Frage, warum sie sich engagieren wollen, antworten die allermeisten, inhaltlich zusammengefasst „Ich will helfen“.

Die Motivation ist ja nicht falsch und wird ja schon bei der Bewerbung verlangt:

„Ich bin Jung und brauche die Welt. Und die Welt braucht Dich und Dein Engagement. Gehe jetzt den nächsten Schritt.“ So steht es auf der Website von Weltwärts.

Das, was an anderer Stelle Bilder machen, macht hier der Text: Mit dieser Überschrift ist die Grenze schon fast überschritten, denn im Grund wird hier an das Helfer*innensyndrom appelliert.

Auch im weiteren Verlauf des Textes wird suggeriert, dass junge deutsche Menschen, die gerade mal die Schule beendet haben, in die Welt gehen, um zu helfen.

Hier stehen die Entsendeorganisationen in der Pflicht, die jungen Menschen auszubilden und ihnen klar zu machen, dass sie keine Retter*in sind.

Viele Organisationen nehmen diese Verantwortung sehr ernst.

So kombinieren wir in der VEM die Ausreisekurse des Nord-Süd Programms mit den Zwischenseminaren des Süd-Nord Freiwilligenprogramms. Also mit dem Seminar, wo junge Erwachsene aus Afrika und Asien ihre Weiterbildungen erhalten. Das schafft schon mal Perspektivwechsel. Es bricht auch auf, dass vornehmlich Weiße, bzw. immer westlich geprägte junge Menschen unter sich bleiben. Wir bemühen uns auch das „voneinander“ Lernen mehr in ein „gemeinsames“ Lernen umzuwandeln. Damit wird deutlich, die Freiwilligen nicht die Welt um sich herum verbessern sollen, sondern sich vor allem sich selbst verändern und nur damit zu einer besseren Welt beitragen. Wir sind halt alle Lernende.

Als Menschen aus dem Westen werden wir aber die Prägung aus vielen Jahren nicht so einfach los. Darum machen wir trotz der intensiven Weiterbildung, die Erfahrung, dass die Versuchung, sich als weißer Retter*in aufzuspielen, sehr stark ist. Das kenne ich selbst. Ich selbst war mit 18 ein Jahr in Südafrika und wenn ich heute meine alten Briefe und Fotos sehe, bin ich einfach froh, dass es da noch kein Instagram gab!

Vielleicht kommt die Motivation zur Bewerbung auf solche Programme genau aus diesem westlichen Retterbild. Aber ich habe auch den Eindruck, dass die meisten jungen Menschen abgeholt werden können und dann merken, dass es vor allem ein Jahr für ihre persönliche Entwicklung ist. Die Wirkung eines solchen Jahres zeigt sich erst im weiteren Leben, wenn man als veränderter Mensch durch das Leben geht. Diese Menschen können Säulen werden, auf denen die anti-rassistische Kirche gebildet wird.

  • Lesetipp: Die Autorin Fabienne Sand schreibt in Ihrem Artikel „Der Globale Süden ist keine Instagram-Kulisse“ am 6. Juni 2019: „Es fängt an mit „Entwicklungshilfe“, die den Erhalt vieler Staaten verhindert und an neokolonialen Strukturen festhält. […] White Saviorism endet mit dem guten Gefühl im Supermarkt, wenn man sich für den Bohnenkaffee mit dem Foto des äthiopischen Bauern entschieden hat und damit 0,001 Cent spendet. Der weiße Rettungsinstinkt gegenüber nicht-weißen Nationen erhält den Glauben aufrecht, dass es Weiße braucht, um etwas „bei denen“ besser zu machen. Er ist das Resultat einer Weltgesellschaft, welche sich auf den Grundsteinen kolonialer Gefüge errichtet hat…“

Link: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1120338.supernova-der-globale-sueden-ist-keine-instagram-kulisse.html

Fortsetzung folgt: Gründe bloß keine NGO!

von Timo Pauler