Eine Zusammenfassung aus der Mitte-November-Folge Stachel&Herz:
Evangelikale und Christian Nationalism in den USA
Die evangelikale Bewegung in den USA ist eine der einflussreichsten religiösen Gruppierungen weltweit. Manche von ihnen folgen einem christlichen nationalem Denken und unterstützen daher konservative Politiker*innen und prägen dadurch die amerikanische Politik und auch die Wahrnehmung von Religion und Macht. Wie im Podcast Stachel & Herz diskutiert, stehen Christian Nationalists oft für eine konservative, nationalistische Interpretation des Christentums. Sie fordern etwa, dass die Vereinigten Staaten als christliche Nation anerkannt werden und Gesetze auf vermeintlich christlichen Werten basieren – ein Ansatz, der besonders in den Bereichen Abtreibung und Frauenrechte politische Konsequenzen hat.
Doppelmoral und weiße Privilegien
Die Hosts Sarah Vecera und Thea Hummel kritisieren scharf die Doppelmoral vieler christlicher Nationalist*innen in den USA. Obwohl Werte wie Familie und Treue betont werden, tolerieren viele Evangelikale einen mehrfach verurteilten Politiker wie Donald Trump, der diesen Werten in seinem persönlichen Leben widerspricht. „Die Tatsache, dass so viele Menschen bereit sind, einen Mann zu wählen, der offen rassistisch und verurteilt ist, zeigt, wie stark das Patriarchat und der Rassismus wirken“, sagt Sarah. Dieses Phänomen ist nicht auf die USA beschränkt, sondern zeigt auch in Deutschland Auswirkungen.
Parallelen zu Deutschland: Christlicher Nationalismus als Narrativ
In Deutschland scheint der Einfluss von Evangelikalen und konservativen christlichen Bewegungen weniger stark, doch die Grundzüge eines „christlichen Abendlandes“ prägen auch hier politische und gesellschaftliche Diskussionen. Wie im Podcast angemerkt, greifen konservative Politiker wie Markus Söder auf religiöse Symbole zurück, um nationale Identität zu stärken – etwa durch die Forderung, Kreuze in öffentlichen Gebäuden anzubringen. Solche Initiativen zielen oft darauf ab, Migrant*innen und nicht-christliche Gemeinschaften auszugrenzen, indem sie das Christentum als zentralen Bestandteil der deutschen Kultur definieren.
Der Einfluss christlicher Nationalisten auf globale Debatten
Die Rolle der evangelikalen Bewegung in den USA sollte nicht unterschätzt werden, gerade im globalen Kontext. Sie beeinflusst nicht nur die amerikanische Politik, sondern auch christliche Diskurse in anderen Ländern. Deutsche Politiker*innen wie Alice Weidel oder Markus Söder bedienen sich ähnlicher Rhetorik, um konservative Wähler*innen zu mobilisieren. Gleichzeitig finden rechtskonservative Evangelikale in Deutschland Inspiration in der US-amerikanischen Bewegung und vernetzen sich zunehmend global.
Die Verknüpfung von Religion, Politik und Macht ist eine Herausforderung, die nicht nur die USA betrifft. Die evangelikale Bewegung zeigt, wie gefährlich die Instrumentalisierung von Religion für nationalistische Zwecke sein kann.
Rassismus und weiße Vorherrschaft in der Evangelischen Kirche
In der Folge geht es außerdem um die EKD (Evangelische Kirche in Deutschland), deren Synode parallel zur Veröffentlichung in Würzburg tagte. Während die EKD sich öffentlich klar gegen Rassismus und für Vielfalt positioniert, bleibt sie in ihren eigenen Reihen homogen weiß. Die Kritik an der EKD, wie sie im Podcast formuliert wird, zeigt: „Es ist einfacher, über Flucht und Migration zu sprechen, als sich einzugestehen, dass wir selbst Teil des Problems sind.“ Die symbolische Diversität – etwa durch internationale Gastredner*innen – ist nicht das, was man unter einer Kirche für alle in einer Migrationsgesellschaft versteht.
Warum Weißsein hinterfragt werden muss
Eine Gemeinsamkeit zwischen der evangelikalen Bewegung in den USA und der EKD ist die zentrale Rolle von Weißsein in der Selbstwahrnehmung und den Machtstrukturen. Im Podcast wird deutlich gemacht, dass BIPOCs (Black, Indigenous, People of Color) in deutschen kirchlichen Gremien kaum vertreten sind, obwohl sie wesentliche Beiträge leisten könnten. Der sogenannte White Gaze – die weiße Perspektive – führt dazu, dass Diversität oft als etwas Externes betrachtet wird, statt anzuerkennen, dass Menschen mit Migrationsgeschichte längst ein integraler Bestandteil der Kirche sind.
Ein Blick in die Zukunft
Wenn Kirche und Gesellschaft glaubwürdig für Vielfalt und Gerechtigkeit einstehen wollen, müssen sie sich klar von rassistischen und patriarchalen Strukturen distanzieren – nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. Die EKD hat die Chance, ein Vorbild für eine gerechtere Gesellschaft zu sein, indem sie ihre eigenen Strukturen kritisch hinterfragt und echte Veränderungen umsetzt.
Die EKD muss lernen, dass ihre Glaubwürdigkeit davon abhängt, ob sie ihre eigenen Privilegien und die Dominanz von Weißsein in ihren Strukturen hinterfragt. Nur durch eine konsequente Auseinandersetzung mit Rassismus und Macht kann die Kirche ihrem Anspruch gerecht werden, ein Ort für alle Menschen zu sein.